"Solange man nicht ein Grau gemalt hat, ist man kein Maler"

(Paul Cézanne 1839 – 1906)

Ob Rembrandt, Picasso, Joseph Beuys, Andy Warhol oder Gerhard Richter: viele große Künstler hatten im Laufe ihres Schaffens eine "graue Phase". Grau schafft Fläche, Raum, Licht und Schatten - und widerlegt damit seinen schlechten Ruf, langweilig zu sein. Denn die Farbe Grau ist so etwas wie der Mittelpunkt der Malerei. Mischt man möglichst viele verschiedene Farben zusammen, entsteht immer Grau. Die Farbe steht im Zentrum des Farbkreises von Johannes Itten.

Grau ist, entgegen seinem schlechten Ruf, nicht langweilig ("grauer Alltag"), der Einsamkeit, Bescheidenheit, Unfreundlichkeit ("graues Wetter") oder ein Symbol für Traurigkeit und Sorgen ("lass dir keine grauen Haare wachsen"). Denn die Farbe Grau ist so etwas wie der Mittelpunkt der Malerei. Alle Farben zusammengemischt ergibt Grau. Johannes Itten stellt die Farbe Grau in die Mitte seines Farbkreises und für Lüscher (Lüscher-Test) steht Grau für Gleichmut und Freiheit von Erregung.

„Ganz besonders spannend bei dieser Farbe ist, das sie eben eine Nicht-Farbe ist und eine Farbe. Das sie eine Abwesenheit darstellt, eine Negation. Und gleichzeitig eine Qualität, eine Anwesenheit, eine Fülle und das sie ein Modus sein kann oder eine Seinsform. Und dieses permanente Changieren, also das Umschlagen, was dieser Farbe quasi wesenhaft ist, das ist eben etwas, was sie in diesem Sinne zu diesen Reflektionsleistungen und auch zu diesen intermedialen Transferleistungen geradezu prädestiniert und deswegen in der abendländischen Kunstgeschichte tatsächlich diesen ungeheuren Stellenwert hat, der kunsthistorisch überhaupt noch nicht richtig sichtbar ist. ( ... ) Da ist noch sehr viel Arbeit zu leisten.“ Gregor Wedekind (Mainzer Kunsthistoriker)

Grau hat es echt nicht leicht. Es ist die Farbe der Langeweile ("grauer Alltag"), der Einsamkeit, Bescheidenheit, Unfreundlichkeit ("graues Wetter") und ein Symbol für Traurigkeit und Sorgen ("lass dir keine grauen Haare wachsen"). Nicht von ungefähr steckt "Grau" in "Grauen". Grau ist auch die Farbe der Sachlichkeit und der Funktionalität. Wer eine "graue Maus" ist, ist unsicher und verschlossen. Und Grau ist ein Zeichen des Alters, denn dann ergraut unser Haar. Grau ist die Farbe von Zurückhaltung und Unauffälligkeit. Auf die Stimmung wirkt Grau ernüchternd, gleichzeitig aber auch seriös und festigend.
Nur sehr wenige Menschen zählen Grau zu ihren Lieblingsfarben. Sie sind oft kritisch, diplomatisch und hören auf ihren Verstand.

Die Wirkung des Grau beruht psychologisch auf der starken Erfahrung des Grau in der Atmosphäre an Nebel- und Regentagen; auf der Erfahrung gebrochenen und halbverdunkelten Lichtes, auch in der Dämmerung. Die Farbe Grau, zu gleichen Teilen aus Schwarz und Weiß gemischt, ergibt ein Neutral-Grau, das die Mitte der Komplementärfarben und des Farbkreises darstellt und damit Indifferenz bedeutet. Es ist weder hell noch dunkel. Nach dem "Großen Lüscher-Test" bedeutet es "Gleichmut, Freiheit von Erregung". Grau ist der Grenzpunkt zwischen konzentriertem Innen und exzentrischem Außen, zwischen Spannung und Lösung: "Es trennt zwischen bejahter und verneinter Welt und lehnt es gleichsam ab, Farbe zu bekennen." Wer Grau bevorzugt, hat nach diesem Test eine Tendenz zur Abschirmung; wer Grau ablehnt, engagiert sich, gelegentlich aus dem Motiv heraus, nicht zu kurz zu kommen. Grau ist die Farbe des Nebels, des Rauches, verschleiernd, zudeckend. Psychologisch bedeutet es, dass man sich im Unentschiedenen, Undifferenzierten aufhält, Gegensätze vermeidet, vielleicht in einer symbiotischen Beziehung verharrt. Die Nuancen der Grau-Reihe können zeigen, wie man sich in der bestehenden Lebenslage fühlt, in welcher Stimmung man ist: Die Mitte entspräche dem Alltag, dem es an Höhen und Tiefen mangelt; die lichteren Stufen stünden für leises, tolerantes, ein betont dezentes Verhalten, während, je größer der Schwarzanteil wird, das Leben verhuscht, "mausgrau" erscheint, möglicherweise in Tristesse, bis in Depressionen zu versinken droht. Je nach Wahl der Schwarzpigmente kann ein Warm-Grau von einem kühleren Grau unterschieden werden, das ganz leicht blaustichig ist und noch Raum erahnen lässt, während die warme Nuance eine absolute Grenze setzt, tonlos, ohne Antwort, wo kein Leben mehr möglich ist. Grau hat auch oft die symbolische Bedeutung von unbestimmten, undefinierten Zwischenwerten, Zwischentönen und Zwischenbereichen, die sich einer klaren Wahrnehmung und Einschätzung entziehen:

das Morgengrauen, die Grauzone, der graue Markt. Gespenster und Untote bewegen sich häufig in nebeligen, grauen Umgebungen. Da die Haare von Menschen und manchen Tieren im Alter auch grau werden, steht hier das Grau für Erfahrung, Weisheit, Alter ("graue Eminenz") und entsprechender Macht, aber auch für Schwäche und Hinfälligkeit.  (Riedel, Ingrid)

 

Pierre Soulages (* 1919) wurde einmal gefragt: Sind sie ein Schwarzmaler?

Absolut nicht, nein. Schwarz hat für mich nichts Negatives – im Gegenteil. Für mich ist Schwarz ein Fest. Weiß hingegen ist für einen sehr großen Teil der Menschheit eine Farbe der Trauer (…) Schwarz ist eine Farbe des Lichtes. Als ich Kind war, hat man mir natürlich Farben zum Malen gegeben. Aber ich habe nur schwarz verwendet, damals schon. Es gibt da eine kleine Anekdote, die in meiner Familie immer erzählt wurde: Mit fünf oder sechs Jahren habe ich einmal mit schwarzer Tinte auf weißem Papier gemalt. Da kam jemand und fragte: „Was machst Du denn da?“ Ich antwortete: „Schnee!“ Ich war sonst ein sehr schüchternes und ernsthaftes Kind. Ich wollte mit der schwarzen Farbe das Papier weiß machen. Ohne schwarz ist Papier nicht weiß. Es ist eher grau. Erst der Kontrast mit dem Schwarz macht es weiß. Das funktioniert aber nicht nur mit weiß, sondern mit allen Farben. Schwarz aktiviert andere Farben, es macht sie heller und klarer. Schwarz ist die aktivste Farbe.“

Monsieur Soulages, im Deutschen gibt es den Ausdruck „Schwarzmaler“, es beschreibt einen Pessimisten. Nun verwenden Sie fast ausschließlich die Farbe Schwarz. Sind Sie also ein Schwarzmaler? Absolut nicht, nein. Schwarz hat für mich nichts Negatives – im Gegenteil. Für mich ist Schwarz ein Fest. Weiß hingegen ist für einen sehr großen Teil der Menschheit eine Farbe der Trauer. Ich habe einmal eine Abendrobe von Kaiserin Sissy gesehen, in Wien, sie war ganz in schwarz gehalten. Der Smoking – ebenfalls ein festliches Kleidungsstück – ist auch schwarz. Schwarz ist aber auch die Farbe der Offiziellen. Und wenn eine Muslima Trauer trägt, dann trägt sie weiß. In China ist das genauso. Aber meine Malerei, sehen Sie sie sich an, ist gar nicht schwarz. Schwarz ist eine Farbe des Lichtes. Mit ihrer Absorption und Reflexion stellt sie Kontraste her. Vögel machen Musik, Menschen aber malen. Das einzige Tier, das malt, ist der Mensch. Seit Jahrtausenden haben die Menschen gemalt – meistens in schwarz! In welchem Alter haben Sie angefangen zu malen? Seit ich denken kann. Als ich Kind war, hat man mir natürlich Farben zum Malen gegeben. Aber ich habe nur schwarz verwendet, damals schon. Es gibt da eine kleine Anekdote, die in meiner Familie immer erzählt wurde: Mit fünf oder sechs Jahren habe ich einmal mit schwarzer Tinte auf weißem Papier gemalt. Da kam jemand und fragte: „Was machst Du denn da?“ Ich antwortete: „Schnee!“ Ich war sonst ein sehr schüchternes und ernsthaftes Kind. Ich wollte mit der schwarzen Farbe das Papier weiß machen. Ohne schwarz ist Papier nicht weiß. Es ist eher grau. Erst der Kontrast mit dem Schwarz macht es weiß. Das funktioniert aber nicht nur mit weiß, sondern mit allen Farben. Schwarz aktiviert andere Farben, es macht sie heller und klarer. Schwarz ist die aktivste Farbe.